Dienstag, 25. Juni 2013

Bemerkung zu ahd. luogên 'erblicken, blicken, schauen, hervortreten, hervorragen, hervorschauen'

Im Althochdeutschen ist seit Ende des 8./Anfang des 9. Jh.s in Glossen und bei Otrid das Verb luogên sw.v. III 'erblicken, blicken, schauen, hervortreten, hervorragen, hervorschauen' bezeugt. Dieses Verb ist fortgesetzt als mhd. luogen, md. lûgen, luochen sw.v. 'aufmerksam sehen, schauen, hervorblicken, emporragen', frühnhd. lugen sw.v. 'mit den Augen wahrnehmen, blicken, schauen, aufpassen, prüfen, kontrollieren, Ausschau halten nach, betrachten' und nhd. lugen sw.v. 'aufmerksam schauen, spähend blicken, hervorgucken'.
Die dt. Verben haben Entsprechungen in einigen anderen westger. Sprachen, die jedoch im Konsonantismus und in der Verbalklasse abweichen. Während die dt. Formen auf eine Vorform westgerm. *lōǥēie/a- zurückgehen, setzten die Verben as. lōkon 'schauen', run.-andd. lokom 'ich sehe' (Weser-Knochen 4990), mndl. loeken 'aufmerksam schauen, spähen', ae. lōcian 'blicken, starren, beobachten, gehören', me. lōken, loke, locon, lokie(n) 'dss.', ne. look 'blicken, schauen, hinsehen, scheinen, aussehen' auf westgerm. *lōkōie/a- zurück. Das Nebeneinander von *-ǥ- und *-k- ist dabei am einfachsten durch Kluges Gesetz zu erklären, wonach urgerm. *-ǥn-´ (3.pl.) > *-ǥǥ- > *-gg- > *-kk- geworden und der Langvokal sekundär nach Langvokal vereinfacht worden wäre. Andere Erklärungen dieses Nebeneinanders sind deutlich unwahrscheinlicher, etwa als "expressive" Geminate (es wäre wohl -gg- zu erwarten) oder als volksetymologische Anlehnung an ahd. loug, louga 'Versteck, Höhle'.

Zu den wenigen Vorschlägen einer weiteren Etymologie ist dieser, dass die germ. Wörtern mit dem Verb toch. AB läk- 'sehen' zu verbinden sind, sicherlich am überzeugendsten (man kann bei dieser Verbindung dann selbstverständlich die toch. Form nicht mehr mit der Verbalwz. uridg. *lewk- 'hell werden' verbinden, wie dies etwa noch bei O. Hackstein, Untersuchungen zu den sigmatischen Präsensstammbildungen des Tocharischen. Göttingen, 1995, S. 250f. geschieht und ebenfalls als Alternative bei D.Q. Adams, Dictionary of Tocharian B. Amsterdam, Atlanta, 1999, S. 549f. erwähnt ist). In der Literatur, vgl. etwa D.Q. Adams, Dictionary of Tocharian B. Amsterdam, Atlanta, 1999, S. 549f. werden die germ. und toch. Wörtern dann weiterhin zur Verbalwz. uridg. *leĝ- 'sammeln, auflesen' (vgl. dazu LIV² 397) gestellt, wobei von einer Grundbedeutung 'mit den Augen sammeln' auszugehen wäre. Diese Verbindung ist jedoch wegen der germanischen Varianz zwischen westgerm. *lōǥēie/a- und *lōkōie/a- aufzugeben, da die älteste Lautung im Germ. *-ǥ- gewesen ist. Aus genau diesem Grund sind die Formen ebenfalls von den bei A. Walde, Vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Sprachen. Hrsg. v. J. Pokorny. Berlin, Leipzig, 1927–32, Bd. 2, S. 381 aufgelisteten Wörtern wie gr. λογάδες 'Augäpfel, Augen' zu trennen.

Will man die germanischen und tocharischen Wörtern weiterhin verbinden, was aus semantischer Sicht naheliegend ist, wird man wohl eine Verbalwz. uridg. *legh/ĝh- 'sehen' annehmen müssen, die sonst offenbar nicht weiter bezeugt ist (Vorschläge?).